Stellungnahme zum sog. Bosbachpapier in NRW
Empfehlungen der sog.“Bosbach-Kommission“ zu Intensivtätern und Beobachtungen von jungen „Islamisten“ durch den Verfassungsschutz:
Nun ist er öffentlich, der 150seitige Bericht der Regierungskommission „Mehr Sicherheit in NRW“, die von Ministerpräsident Laschet im Jahr 2018 unter der Leitung des ehemaligen Bundestagsabgeordneten Bosbach eingesetzt wurde. Zwei wesentliche Äußerungen beziehen sich in diesem Bericht, der sicherlich nicht nur auf Ländereben, sondern auch auf Bundesebene Beachtung finden wird, auf den Umgang mit jungen Menschen.
Zum einen wird die Schaffung einer rechtlichen Grundlage für die Beobachtung von unter 14 Jahre alten Personen durch den Verfassungsschutz empfohlen. Diese Empfehlung zielt auf eine Gruppe offensichtlich islamistisch indoktrinierter Kinder/Jugendlicher, die als sog. „Gefährder“ eingestuft werden. Offensichtlich, so die Aussage, nimmt die Anzahl dieser jungen Menschen, in NRW/Deutschland zu. Zum anderen macht das Papier Aussagen zur besonderen Tätergruppe „Jugendliche und Heranwachsende“ und hier insbesondere zu den sog. „Intensivtätern.
Zum Einsatz des Verfassungsschutzes zur Beobachtung unter 14 Jahre alter „Gefährder“:
Es fällt bei der Durchsicht der Besetzungsliste der Kommission auf, dass pädagogische oder therapeutische Professionen nicht beteiligt waren. Dies scheint verwunderlich, denn es werden Empfehlungen ausgesprochen für junge Menschen, die allesamt nicht nur im Rahmen des Strafrechtes zu betrachten sind, sondern auch aus Sicht der Jugend- und Erziehungshilfe. Die Forderung, schon unter 14 Jährige Kinder vom Verfassungsschutz beobachten zu lassen, berücksichtigt u.E. nicht, das diese Kinder offensichtlich hochgradigen Missbrauch erfahren haben müssen, um in dieser Rolle als „Gefährder“ funktionalisiert zu werden. Ein Trauma, dass nicht aufhört und sie in eine Entwicklung drängt, die weder kind-noch jugendgemäß genannt werden kann. Hier müsste, sobald derartige Erkenntnisse über das „Benutzen“ von Kindern vorliegen, sofort im Rahmen des Kinderschutzes gehandelt werden, weil aus entwicklungspsychologischer und pädagogischer Sicht eine hochgradige Gefahr im Verzug vorliegt.
Diesen Kindern wird ihre Kindheit und Jugend geraubt. Hier muss öffentliche Jugendhilfe, unterstützt durch strafrechtliche relevante Handlungsoptionen, im Interesse des Kindeswohles tätig werden. Bei Erwachsenen „Gefährdern“ mag die Möglichkeit der Beobachtung ein adäquates Mittel der Verhinderung von Straftaten sein. Bei Kindern manifestiert ein „ledigliches Beobachten„ möglicherweise antrainiertes oder konditioniertes Fehlverhalten und wirkt im Sinne von Lernen und Erziehung prägend. Unseres Erachtens ist hier im Sinne des Kinderschutzes eher ein konsequentes Handeln gefragt, das durchaus auch in Form von Eingriffen in die elterliche Sorge begleitet sein kann oder sogar muss. Anstatt „Beobachtung“ durch den Verfassungsschutz sollten daher spezielle „Aussteigerprogramme“ für Kinder und jugendliche „Gefährder“ entwickelt werden, die diesen jungen Menschen eine angemessene Entwicklung und daraus folgend eine Integration in unserer Gesellschaft ermöglichen kann. Hier ist die Jugend-und Erziehungshilfe der richtige Partner.
Empfehlungen zur besonderen Tätergruppe „Jugendliche und Heranwachsende“:
Die Empfehlungen zu den „Jugendlichen und Heranwachsenden“ scheinen in so gut wie allen Punkten sinnvoll und beschreiben eher in einigen Bundesländern schon vorhandene Praxis. So können der flächendeckende Ausbau von „Häusern des Jugendrechtes“, Fortbildungen für Jugendrichter, eine Spezialisierung der Bewährungshilfe und die Umsetzung von Prävention auf jeden Fall hilfreiche und qualitativ wirksame Angebote sein, um die Kriminalitätsrate weiter zu senken. Darauf hinzuweisen ist, dass es sog. Unterbringungsmöglichkeiten für „Intensivtäter“ schon gibt, wenn auch in manchen Bundesländern mit unterschiedlichen strukturellen oder konzeptionellen Ansätzen. Auch in NRW wurden Versuche unternommen, die aber mitunter an einem unterschiedlichen Selbstverständnis von Pädagogik und Justiz und einem daraus resultierenden widersprüchlichen Praxisverständnis zum Scheitern verurteilt waren.
Wir verweisen ausdrücklich auf ein derzeit gängiges Praxishandeln, dass in der Erziehungshilfe auch für diese spezielle Zielgruppe angeboten und angewandt wird, die sog. „Intensivpädagogischen Hilfen“ im In-und Ausland. Viele junge Menschen, die der „intensivtätergruppe“ zuzuordnen sind, nehmen dieses Angebot in speziell für sie entwickelte Settings an und nutzen dort die Chance einer persönlichen Reifung und Entwicklung, auch anstelle von freiheitsentziehenden Maßnahme oder weil sie aus sog. „geschlossenen“ Einrichtungen entlassen werden mussten.
Es wäre wünschenswert, diesen Hilfen nicht noch durch eine Erweiterung der administrativen Hürden die pädagogischen Gestaltungsspielträume zu nehmen, sondern die im Papier genannte Forderung nach „Förderung spezieller Angebote“ auch auf die schon vorhandenen Konzepte hin zu überprüfen und ggf. qualitativ und quantitativ weiter zu entwickeln.
EFFSE e.V.
Köln im Januar 2021
Abschlussbericht der Regierungskommission „Mehr Sicherheit für Nordrhein-Westfalen“